Lange Zeit galten sie als naiv, weltfremd oder gar gefährlich: Utopien. Die großen Zukunftsentwürfe schienen mit dem Ende des Kalten Krieges und dem Siegeszug des Neoliberalismus erledigt. „There is no alternative“, verkündete Margaret Thatcher einst – und prägte damit ein Mantra, das die Politik über Jahrzehnte bestimmen sollte. Doch heute, im Angesicht multipler Krisen, erlebt die Utopie ein stilles Comeback. Und es ist die junge Generation, die sie mit Leben füllt.
Die Klimakrise, soziale Ungleichheit, bröckelnde Demokratien – all das erzeugt bei vielen Menschen kein Gefühl von Kontrolle, sondern von Ohnmacht. Und gerade weil die Gegenwart so trostlos erscheint, wächst die Sehnsucht nach einer besseren Zukunft. Nicht durch Flucht in Verschwörungsfantasien, sondern durch die Suche nach radikal neuen Wegen.
Beispiele dafür gibt es viele – und sie wirken konkreter denn je.
Die Gemeinwohlökonomie etwa ersetzt das Streben nach Profit durch das Ziel gesellschaftlichen Nutzens. Unternehmen werden danach bewertet, wie sehr sie zum Wohl von Mensch und Umwelt beitragen. In Österreich, Deutschland und Spanien gibt es bereits hunderte Betriebe, die freiwillig nach diesen Prinzipien wirtschaften.
Auch die Postwachstumsbewegung gewinnt Zulauf. Sie fordert ein Wirtschaftssystem, das sich nicht an permanentem Wachstum, sondern an den planetaren Grenzen orientiert. Weniger Konsum, weniger Ressourcenverbrauch – aber mehr Zeit, Gerechtigkeit und Lebensqualität. Was früher als Verzicht galt, wird heute als Befreiung erlebt.
Besonders spannend: Junge Menschen lassen sich nicht mehr von klassischen Ideologien vereinnahmen. Sie mischen Ansätze, denken pragmatisch-utopisch. So entstehen Konzepte wie die „solare Projektwirtschaft“, in der technologische Lösungen wie Energieautarkie, automatisierte Produktion oder regionale Kreisläufe mit demokratischer Teilhabe verbunden werden.
Das Internet spielt dabei eine ambivalente Rolle.
Einerseits befeuert es Konsum, Ablenkung und Überwachung. Andererseits ermöglicht es globalen Austausch, offene Bildung und dezentrale Organisation. Plattformen wie Reddit, Discord oder Mastodon werden zu digitalen Ideenschmieden, in denen alternative Lebens- und Arbeitsmodelle erprobt und diskutiert werden – jenseits von Konzernen und Parteien.
Natürlich: Utopien bergen auch Gefahren. Sie können ins Totalitäre kippen, wenn sie zur Zwangsordnung werden. Doch die aktuellen Bewegungen zeichnen sich durch Offenheit, Vielfalt und Kritikfähigkeit aus. Sie stellen nicht nur Fragen nach dem „Wie“, sondern vor allem nach dem „Warum“.
Fazit:
Utopien sind zurück – aber sie tragen neue Kleider. Sie kommen nicht als große Ideologie daher, sondern als kollektive Experimente. Sie entstehen aus Not, aber sie nähren Hoffnung. Hoffnung auf ein Leben jenseits von Dauerstress, Marktzwang und Umweltzerstörung. Die junge Generation glaubt wieder an Alternativen – und das allein ist revolutionär.