0
Bitte anmelden oder registrieren zu machen.

Frankreichs Kampf gegen den Leerstand: Ein Realitätscheck der neuen Wohnungsmarktpolitik 2025

Ein Gerücht macht die Runde: Ein revolutionäres Gesetz habe 2025 in Frankreich über 100.000 leerstehende Wohnungen auf den Markt gespült und Enteignungen radikal vereinfacht. Die Realität ist komplexer, aber nicht weniger aufschlussreich. Frankreich hat seine Gangart im Kampf gegen ungenutzten Wohnraum tatsächlich verschärft – allerdings nicht mit einem einzigen Paukenschlag, sondern mit einem Bündel an Maßnahmen, die den Druck auf Eigentümer spürbar erhöhen. Ein genauer Blick auf die Fakten, Zahlen und die wahren Instrumente der französischen Politik.

Der angespannte Wohnungsmarkt, besonders in den Metropolen wie Paris, Lyon oder Marseille, ist eine der großen sozialen und politischen Herausforderungen in Frankreich. Seit Jahren beklagen Mieterorganisationen und soziale Stiftungen wie die renommierte Fondation Abbé Pierre den Missstand von landesweit schätzungsweise über drei Millionen leerstehenden Wohnungen, während hunderttausende Menschen eine bezahlbare Bleibe suchen.

Vor diesem Hintergrund hat die französische Regierung gehandelt. Auch wenn ein einzelnes, im Jahr 2025 verabschiedetes Gesetz mit der dramatischen Folge von 100.000 reaktivierten Wohnungen nicht zu verifizieren ist, so hat sich das rechtliche Umfeld für Eigentümer leerstehender Immobilien seit Anfang 2025 signifikant verändert.

Die wahren Waffen gegen den Leerstand: Besteuerung und Regulierung

Das zentrale Instrument ist keine komplett neue Erfindung, sondern die konsequente Verschärfung und Ausweitung bestehender Gesetze. Im Mittelpunkt stehen zwei Abgaben:

  1. Die Steuer auf leerstehende Wohnungen (Taxe sur les logements vacants – TLV): Diese Steuer existiert bereits seit 1999 und wird in urbanen Zonen mit mehr als 50.000 Einwohnern erhoben, in denen ein deutliches Ungleichgewicht zwischen Wohnungsangebot und -nachfrage herrscht. Eine Wohnung gilt als leerstehend, wenn sie seit mindestens einem Jahr unbewohnt ist.
    • Die Verschärfung: Zum 1. Januar 2024 wurden die Steuersätze deutlich angehoben. Im ersten Jahr des Leerstands beträgt die Steuer nun 17 % des fiktiven Mietwerts (valeur locative cadastrale), im zweiten Jahr steigt sie auf 34 %. Zuvor lagen die Sätze bei 12,5 % und 25 %. Diese empfindliche Erhöhung macht spekulativen Leerstand deutlich unrentabler.
  2. Die Wohnsteuer auf leerstehende Wohnungen (Taxe d’habitation sur les logements vacants – THLV): In Gemeinden, in denen die TLV nicht gilt, können Kommunen diese eigene Steuer auf Wohnungen erheben, die seit mehr als zwei Jahren leer stehen.

Die entscheidende Neuerung, die seit 2024 greift und deren Effekte sich 2025 zeigen, ist die massive Ausweitung der Zonen, in denen die strengere TLV angewendet wird. Ursprünglich auf rund 1.140 Kommunen beschränkt, wurde der Geltungsbereich auf über 4.000 Gemeinden ausgeweitet. Damit sind nun auch viele mittelgroße Städte und touristische Gebiete erfasst, in denen Zweitwohnungen und ungenutzte Immobilien die Preise treiben.

Das “Anti-Airbnb-Gesetz”: Ein weiterer Schlag gegen die Zweckentfremdung

Zusätzlich zur direkten Besteuerung von Leerstand hat der Gesetzgeber die lukrative Kurzzeitvermietung an Touristen ins Visier genommen. Ein im Januar 2025 in Kraft getretenes, oft als “Anti-Airbnb-Gesetz” bezeichnetes Regelwerk, schränkt die steuerlichen Vorteile für die Vermietung möblierter Touristenwohnungen drastisch ein. Der pauschale Steuerabzug wurde von bis zu 71 % auf nur noch 30 % in angespannten Gebieten gesenkt. Dies soll Eigentümer motivieren, ihre Wohnungen wieder regulär und langfristig an Einheimische zu vermieten.

Enteignung: Das schärfste Schwert bleibt die Ausnahme

Die im ursprünglichen Gerücht erwähnte “konsequentere Durchsetzung von Enteignungen” bedarf einer differenzierten Betrachtung. Das französische Recht kennt seit langem das Instrument der “Réquisition”, also der Beschlagnahmung von Wohnraum durch den Staat, um Obdachlosigkeit zu bekämpfen. Dieses Recht wurde bereits 1945 eingeführt und wird durch Artikel L642-1 des Bau- und Wohnungsgesetzes geregelt.

Präfekten haben die theoretische Möglichkeit, Wohnungen, die länger als 18 Monate (in manchen Fällen 12 Monate) leer stehen, für bis zu sechs Jahre zu beschlagnahmen, um sie Wohnungslosen zur Verfügung zu stellen. Der Eigentümer erhält eine Entschädigung.

Allerdings wird dieses Instrument in der Praxis extrem selten angewendet. Politische Hürden, komplexe juristische Verfahren und der Widerstand von Eigentümerverbänden wie der UNPI (Union Nationale des Propriétaires Immobiliers) führen dazu, dass die “Réquisition” eher ein politisches Druckmittel als ein flächendeckend eingesetztes Werkzeug ist. Eine gesetzliche Neuregelung im Jahr 2025, die dies grundlegend geändert hätte, ist nicht feststellbar. Mieterverbände wie die CNL (Confédération Nationale du Logement) fordern zwar seit Jahren eine mutigere Anwendung, ein politischer Durchbruch steht aber noch aus.

Fazit: Evolution statt Revolution mit spürbarem Erfolg

Die Behauptung, ein einziges Gesetz habe 2025 über Nacht 100.000 Wohnungen mobilisiert, ist eine Zuspitzung, die der Realität nicht standhält. Die Wahrheit liegt in einer Verschärfung und intelligenten Kombination bestehender Instrumente. Die erhöhten und ausgeweiteten Leerstandssteuern, gekoppelt mit der steuerlichen Eindämmung von Ferienwohnungen, erhöhen den ökonomischen Druck auf Eigentümer signifikant.

Erste Bilanzen und Expertenanalysen deuten darauf hin, dass diese Politik Früchte trägt und tatsächlich mehr Wohnraum auf den regulären Mietmarkt gelangt. Genaue, landesweite Zahlen für 2025 stehen zwar noch aus, doch der Trend ist klar: Frankreich hat den Kampf gegen den spekulativen Leerstand zu einer seiner wohnungspolitischen Prioritäten gemacht. Der Sieg für die Mieterinnen und Mieter ist kein einzelner Akt, sondern das Ergebnis eines langwierigen und nun intensivierten Prozesses.

Streaming-Dienste - Kampf um Aufmerksamkeit und neue Geschäftsmodelle
Wie Europa im Rekordtempo die Kohle-Ära beendet

Reactions

0
0
0
0
0
0
Already reacted for this post.

Reaktionen

Nobody liked ?

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

GIF